Von Martina Leser, Team Station D
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Seit eineinhalb Jahren gibt es mit der Station D das «Barmelweid-Plus»-Angebot für zusatzversicherte Patientinnen und Patienten der Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie.
Im April 2024 eröffnete die Klinik Barmelweid eine eigene Station für 12 zusatzversicherte psychosomatische Patientinnen und Patienten im Haus D. Im separaten Gebäude wurden dafür vier Stockwerke renoviert und mit neuen, topmodernen Einzelzimmern ausgestattet.
Die Klinik Barmelweid reagierte damit auf Engpässe im Versorgungssystem. Denn die bestehenden Behandlungsmöglichkeiten für Zusatzversicherte im Haus B waren meist für Wochen komplett ausgelastet, sodass sie oft sehr viel länger auf einen Platz warten mussten als allgemeinversicherte Patientinnen und Patienten.
Das neu geschaffene Angebot «Barmelweid Plus» richtet sich an halbprivat und privat versicherten Personen, die sich einen gehobeneren Standard wünschen. Es trägt auch den Krankenversicherern Rechnung, die umfangreichere Behandlungs- und Komfortleistungen für Zusatzversicherte vorsehen.
Eine transgenerationale Patientengemeinschaft
«Barmelweid Plus» folgt einem dezidiert interprofessionellen, multimodalen und milieubasierten Konzept, das den Schwerpunkt auf Gruppentherapien legt. Die Patientinnen und Patienten der Station sind 2 feststehenden Gruppen zu je 6 Personen zugeteilt und nehmen an sämtlichen Gruppenbehandlungen gemeinsam teil.
Der leitende Arzt des Teams, PD Dr. med. Reiner Dahlbender, erklärt: «Es geht darum, dass im zwischenmenschlichen Miteinander von Patienten und Behandlern ein Milieu hergestellt wird, eine Atmosphäre und eine Kultur des Erlebens und Handelns geschaffen wird, die es Patientinnen und Patienten nicht nur ermöglicht, Probleme –etwa festgefahrene Verhaltens- und Beziehungsmuster – zu erkennen und zu erleben, sondern auch Möglichkeiten bietet, ihre Schwierigkeiten gemeinsam in den Gruppen aktiv anzugehen und Lösungsstrategien für die ganz individuellen «Baustellen» zu entwickeln und diese auch miteinander auszuprobieren».
«Wir nehmen hier die verschiedensten Patientinnen und Patienten auf», erklärt Reiner Dahlbender. «Manchmal ist das am Anfang zwar etwas herausfordernd, gerade wenn die Patientinnen und Patienten mit bestimmten Vorstellungen kommen und sie hier neu lernen müssen, ihre Probleme anzugehen, aber in der Regel legt sich das recht schnell und wir erzielen gute Fortschritte und Ergebnisse. Und: Das Programm ist therapeutisch sehr intensiv, aber wir haben auch ein breites Repertoire für die bestmögliche individuelle Ausrichtung der Behandlung».

Eine Besonderheit der Station ist die Altersdurchmischung. Patientinnen und Patienten werden ohne Altersbegrenzung nach oben bereits ab 16 Jahren aufgenommen. Das hat mehrere Vorteile. Pflegefachmann Dardan Betscha erklärt: «Dadurch, dass die Altersspanne so gross ist, gibt es zwar manchmal am Anfang Berührungsängste zwischen den Patientinnen und Patienten, dafür entfällt die altersmässige Homogenität und die dazugehörigeDynamik, mit der wir in weniger durchmischten Stationen im Haus B eher konfrontiert sind.» Reiner Dahlbender ergänzt ein: «Die Altersdurchmischung hilft auch konkret in Gruppentherapien: Wenn beispielsweise das Thema Scheidung eines älteren Patienten aufkommt und eine jüngere Mitpatientin in derselben Gruppe sitzt, die gerade eine Scheidung erlebt hat, erlaubt das mitunter einen wertvollen Austausch zwischen den Perspektiven».
Dass die Patientinnen und Patienten ein ausgeprägtes Gruppengefühl entwickeln, das erfährt auch Ressourcentherapeutin Anita Keller regelmässig an den Samstagen. Sie sagt: «In der Ressourcentherapie nehmen jeweils beide Gruppen, also alle 12 Patientinnen und Patienten, gemeinsam teil. Dabei ist die Gruppe in engem Kontakt, man hilft sich gegenseitig und die Patientinnen und Patienten profitieren auch untereinander. Meistens entwickelt sich sehr schnell ein grosser Gruppenzusammenhalt und eine eigene Gruppendynamik».
«Manchmal ist es dann schwierig und auch sehr einschneidend für die Patientinnen und Patienten, wenn sich bei Austritten ein grösserer Wechsel in einer Gruppe innerhalb kurzer Zeit ergeben», erklärt Boris Dietschi, Stv. Oberpsychologe, «denn die Gruppe wächst meist sehr bald zusammen – manchmal bezeichnen sie sich sogar als WG. Manche haben auch nach ihrer Behandlung hier noch Kontakt und unterstützen sich gegenseitig weiter».
Um ein gängiges Vorurteil aufzugreifen, erzählt Kunsttherapeutin Anne-Kathrine Münnich: «Trotz des Versicherungsstatus spielt der Hintergrund oder die Schicht, aus der die Menschen kommen, eine weniger wichtige Rolle, als ich erwartet habe. Das fand ich sehr spannend, als ich hier angefangen habe».
Komfortable Einzelzimmer
Die Einzelzimmer werden von den Zusatzversicherten sehr geschätzt. «Das ist wirklich sehr angenehm, nicht nur für die Patientinnen und Patienten, sondern auch für uns von der Pflege», bestätigt Dardan Betscha, «so entfallen die anstrengenden und frustrierenden Zimmerdiskussionen, mit denen wir auf den anderen Stationen teilweise konfrontiert sind. Und die Patientinnen und Patienten haben einen Rückzugsort, der in Zweierzimmern eher fehlt. So haben wir mehr Zeit, um uns um die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten zu kümmern».
«Kraftort» für die herausfordernde Arbeit an sich selbst
Die komfortable Unterbringung, die Zusatzversicherte im Haus D geniessen, sollte jedoch nicht über die Anforderungen hinwegtäuschen, mit denen Patientinnen und Patienten konfrontiert sind. «Obwohl es entspannt und ruhig wirken mag, eine «Oase» ist die Station nicht», erklärt Psychologin Kim Rohner, «tatsächlich ist es für die meisten richtig harte Arbeit, sich mit der eigenen Situation auseinanderzusetzen und nach Lösungen zu suchen, um gestärkt aus dem Aufenthalt herauszugehen. Wenn es ihnen nicht bereits beim Eintritt klar war, begreifen sie es danach allmählich».
«Und doch», weiss Anita Keller, «wird die Barmelweid für viele unserer Patientinnen und Patienten zu einem Kraftort, den manche auch viel später, nach ihrem Aufenthalt, immer wieder einmal besuchen. Viele der Patientinnen und Patienten assoziieren mit der Barmelweid positive Erfahrungen, was zu sehen natürlich schön ist».
Herausforderungen auch für das interprofessionelle Behandlungsteam
Der stationäre Alltag ist aber nicht nur für die Patientinnen und Patienten auf der Station D anspruchsvoll, auch das Behandlungsteam ist immer wieder gefordert und muss flexibel sein können. Boris Dietschi sagt dazu: «Die Betonung der Gruppen ist inspirierend für die ganze Klinik und die vielen verschieden Gefässe sind sehr wertvoll.» Psychologin Kim Rohner ergänzt: «Durch die Form der interprofessionellen Visite denkt zudem das ganze Team gemeinsam nach und alle sind mit allen Fällen vertraut. Das ist sehr positiv, aber eben auch intensiv». Boris Dietschi stimmt zu: «Mit dem Gewicht auf der intensiven Therapie haben wir in unseren engmaschigen Tagesplänen allerdings wenig Spielraum oder auch kleine Pausen.»
Kunsttherapeutin Anne-Kathrin Münnich bemerkt: «Im Team bin ich zwar immer mittendrin und total dabei, aber als einzige Kunsttherapeutin arbeitet ich allein, ohne eine Fachkollegin oder -kollegen, so wie auf anderen Stationen. Hier muss immer ich unmittelbar reagieren oder eingreifen».
«Das sehen auch wir in der Pflege», sagt Dardan Betscha, «wir sind immer nur eine Pflegekraft im Dienst. Ein Dienst zu zweit – mit überlappenden Zeiten – wäre wünschenswert, beispielsweise, wenn sich eine Patientin oder ein Patient in einer akuten Krise befindet und viel Aufmerksamkeit benötigt. Das kann manchmal ein Problem darstellen und man muss improvisieren».
Zur Reflektion und Bewältigung der vielfältigen Herausforderungen an die interprofessionelle Zusammenarbeit, welche die konsequente milieubasierte Arbeit mit Patientinnen und Patienten mit sich bringt, steht dem Team seit einem halben Jahr eine Teamsupervision zur Verfügung. Auch wenn es noch organisatorische Schwierigkeiten gibt, dass alle Teammitglieder regelmässig daran teilnehmen können, wird die Teamsupervision von allen sehr geschätzt. Was noch fehlt, ist eine klinische Fallsupervision, in der die Herausforderungen in der Behandlung von ausgewählten Patientinnen und Patienten im Fokus sind. «Gute Supervisorinnen oder Supervisoren zu finden, ist aber nicht leicht», bemerkt Reiner Dahlbender.
Team mit Pioniergeist
Die auf mehrere Stockwerke verteilten Räume verlangen, dass sich das Team um den informellen Austausch mehr bemühen muss, da man sich weniger «zufällig» begegnet. Eine Ausnahme benennt Anne-Kathrine Münnich: «Da wir uns die Räume und das Büro der Spezialtherapien teilen, begegnen wir uns häufiger und arbeiten enger zusammen, als auf den anderen Stationen – oft können wir uns einfach schnell zwischen Tür und Angel absprechen und sind sehr gut eingespielt». Darin sieht sie einen entscheidenden Vorteil. Bewegungstherapeut Stephan Bitterlin findet auch eine gewisse Ruhe im kleinen Team: «Hier bin ich sehr eng in Verbindung mit allen, dafür weniger integriert in das weitere Team der Körper- und Bewegungstherapie, das im Haus B auf den anderen Stationen im Einsatz ist. Wir teilen uns auch im D das Büro, allerdings nur zu zweit, während wir drüben zu neunt waren».
Reiner Dahlbender stellt fest: «Auch wenn es mit der Zeit immer besser geworden ist, auf Team-Ebene herrscht auf der Barmelweid noch eine starke Orientierung an der eigenen Berufsgruppe. Bei uns auf der Station D ist so ein gewisser Pioniergeist, es anders zu machen: Wir geben uns Mühe, primär den Bezug zum interdisziplinären Team und die Zusammenarbeit über die Berufe hinweg zu fördern.»
Pilotphase zeigt entwicklungsfähiges Potenzial auf
Die halbjährige Pilotphase nach dem Start im Frühling 2024 war sehr wichtig, um zu erkennen, was gut läuft und wo es Verbesserungspotenzial gibt. Reiner Dahlbender erklärt: «Diese Evaluationen helfen uns jetzt, bestimmte Abläufe immer wieder zu hinterfragen und allenfalls anzupassen, Dinge zu ändern und Neues auszuprobieren. Wir lernen auch jetzt, eineinhalb Jahre nach dem Start, immer noch dazu. Wenn ich ein Fazit ziehen soll: Die Station D leistet gute Arbeit. Das medizinisch-therapeutische Angebot und das dahinterstehende Konzept haben Potenzial, das es konsequent weiterzuentwickeln gilt. Das, was sich hier bewährt hat, könnte längerfristig auch Haus B befruchten. Eines ist allerdings sicher: Die junge Barmelweid Plus Station D muss Patientinnen und Patienten sowie den Zuweisenden noch viel bekannter werden».