Corona und der (lange) Weg zurück – Ein Erfahrungsbericht

Gastbeitrag von Markus Grütter
Lesedauer: 6 Minuten

Markus Grütter wurde im Oktober positiv auf das Coronavirus getestet. Was er im Zuge seiner Erkrankung durchgemacht hat, hätte er sich vorher nicht im Traum vorstellen können. In einem berührenden Erfahrungsbericht beschreibt er, mit welchen Anzeichen bei ihm die Krankheit begonnen hat, wie er die bange Zeit im Kantonsspital Baden erlebt hat und was ihm in der Klinik Barmelweid mit auf den Weg gegeben wurde im Zuge seines Heilungsprozesses.

Bis anhin habe ich «Corona» stets mit der honorigen Corona und den frohen und erspriesslichen Stunden unter Farbenbrüdern in der Studenten-Verbindung in Zusammenhang gebracht. Seit diesem Herbst ist das etwas anders. In den letzten Wochen habe ich viel Zeit gehabt, über Corona nachzudenken.

Seit diesem Frühling haben wir viel von dieser Krankheit gehört, anfänglich war sie weit weg, in China. In der Folge kam sie immer näher, Mitte März wurden bei uns Skigebiete geschlossen. In unserer Familie und bei mir wurden Warnungen vom BAG und Empfehlungen der Behörden immer ernst genommen, mehr als Weisung denn als Ratschläge. Meinen Übertritt ins Pensionierten-Dasein im Frühjahr hat mir vor allem «bleiben Sie zu Hause» sehr erleichtert. Ich konnte mit gutem Gewissen damit leben, da ich nichts zu versäumen hatte. Über das fehlende «Gesucht sein» war gut hinweg zu kommen. Kontakte auch in der Familie wurden auf das nötigste beschränkt, Feiern abgesagt, Gäste wieder ausgeladen. Nach der ersten Corona-Welle konnte dann beschränkt wieder etwas für Wirtschaft und Freiheit getan werden, die Weisungen des BAG blieben auch im Sommer stets präsent.

Im Oktober war Convid-19 da, ganz nah, begann wie eine Erkältung oder Grippe mit Husten und Fieber. Auf Anraten des Hausarztes sollte entsprechend kuriert werden. Der Test vom vierten Tag ergab am sechsten Tag ein positives Ergebnis. Der Hausarzt empfahl die Behandlung fortzusetzen und aufmerksam zu sein. Nach 11 Tagen mit Fieber und zunehmendem Husten, Schwindel und Übelkeit, trat ich am Nachmittag in das Kantonsspital Baden ein. Über den «Hintereingang», die Notaufnahme, wurde ich aufgenommen und sogleich gründlich untersucht und spätabends auf die (Corona-) Station verlegt. Ich fühlte mich mit einer vorbereiteten Infusion und zusätzlicher Sauerstoffversorgung geborgen. Ich verspürte lediglich Grippesymptome. Den am folgenden Vormittag anlässlich der grossen Arztvisite attestieren stabilen Zustand mit Lungenentzündung konnte ich mit den Ärzten diskutieren, meine Bedenken wurden ernst genommen. Dann folgten Mittagessen und Powernap. Nach 14 Uhr fühlte ich mich unsicher, aber warum? Also: Atemübungen – normale, allenfalls etwas erschwerte Atmung; Puls – normal; Blutdruck – normal. Ich lag ja bereits die ganze Zeit. Die nächste Visite würde etwas nach 16:30 Uhr sein. Sollte ich läuten? Die hier waren alle immer am Rennen. War es dringend? Nochmal Atemübungen – normal oder erschwert? Ich fühlte ein kurzes feines Kräuseln auf dem Handrücken. Wenn ich jetzt wartete bis um 16:30, war es dann zu spät? Dann war ich selbst schuld, also doch läuten.

Der Pfleger erschien, «ja sicher ist ein Arzt hier». Nach gefühlten zehn Augenblicken erschien der Arzt. Er wollte den Kollegen, der für die Medikation (Antibiotikum, Cortison) zuständig ist, rufen. Nach etwa zehn Minuten erschien er mit zwei Kollegen. Einer war zuständig für die Medikation, der andere für die Intensivpflegestation. Ein kurzes Interview: »Was sollen wir tun, wenn es schlimmer wird?». Ich: «Ich habe eine Patientenverordnung ausgefüllt» – Er: «Das wollen wir nicht wissen, sagen Sie es uns jetzt.» – Ich: «Ich denke, mit 65 sollten wir alles versuchen, was nötig und möglich ist» – Er: «Danke, das wollten wir wissen». Der Pfleger zog Kabel und Schlauch aus der Wand, die drei Ärzte verliessen das Zimmer, der Pfleger schob mich im Bett hinter ihnen her, in den Bettenlift. Vor der IPS wurde ich von zwei Pflegerinnen mit Schutzbrille, Haube, Handschuhen und Schutzmantel in Empfang genommen und in Koje 10 gestossen. So, da war ich. Immer noch waren alle freundlich, aber voll konzentriert. Nach Anweisung vom Stationsarzt an die Pflegefachfrau wurde die Sauerstoffunterstützung eingerichtet: Das Lungenvolumen betrug etwa drei Liter, ich erhielt pro Atemzug zwölf Liter Sauerstoff über Schlauch und Maske ins Gesicht (Mund und Nase) geblasen. «Lassen Sie sich durch die Geräusche des austretenden Sauerstoffs nicht beunruhigen, wir hoffen, in 2 ½ Stunden eine Wirkung feststellen zu können».

Was hatte ich noch gewollt? Wen wollte ich noch benachrichtigen? War das jetzt die Schlussetappe? Im Vorraum vor den Kojen wurde ruhig und konzentriert gearbeitet, Bildschirme wurden betrachtet. Es herrschte ein gutes und entspanntes Verhältnis im Team, die Stimmung war trotz der angespannten Situation (ich war ja nicht der einzige) sehr gut. Auf mein Winken hin kam «meine Pflegerin» – nicht ohne frische Maske, Haube, Schutzbrille, Mantel und Handschuhe darüber anzuziehen – und fragte nach meinem Befinden. Künftig verständigten wir uns mit Handzeichen, Kopfnicken und Lächeln. Nach 2½ anstrengenden Stunden wurde mir Blut abgenommen zum Untersuch der Sauerstoff-Sättigung im Blut. Das Ergebnis war niederschmetternd. Die Ärzte berieten wieder, es gab vielleicht noch einen anderen Weg, entsprechend dem Befund nach dem Computertomogramm vom Eintrittsuntersuch. Ein Ergebnis musste aber unbedingt in 2 Stunden vorliegen. Also dasselbe noch einmal, aber in Bauchlage. Nach 2 Stunden «Arbeit» nahmen sie wieder Blut für den Untersuch. Das Ergebnis gab Mut. So könne es funktionieren, es brauche aber etwa 4 Tage…und Nächte. Und sie waren alle immer da: Pflegerinnen, Ärzte, Ärztinnen – freundlich, auch lächelnd, bestimmt, stets Zuversicht ausstrahlend. Bauchlage, Rückenlage, Sauerstoff …dann die Ermunterung durch den Stationsarzt: »Sie sind unser Musterpatient, Sie haben gut mitgearbeitet, zusammen haben wir es geschafft».

Danach wurde ich in die Überwachungsstation verlegt. Es war noch nicht zu Ende. Nach weiteren 2 Tagen wurde ich wieder verlegt, in die Corona-Station. Die Planung der Zeit danach begann, wieder erhielt ich eine kompetente Beratung. Die Stationsärztin fand zum Glück noch ein Reha-Bett. Nach 2 Tagen wurde ich in die Klinik Barmelweid überführt, in die führende Lungenklinik der Nordwestschweiz, in ein Einzelzimmer. «Sie werden zweimal getestet, bevor Sie in die Reha-Station verlegt werden», eröffnet mir der Chefarzt. Nach fünf Tagen war es soweit. Rehabilitation wird hier umfassend verstanden: »Es geht oft nicht darum, eine Krankheit zu heilen, sondern darum, nach einer Krankheit die körperlichen, seelischen und sozialen Fähigkeiten wiederzuerlangen und längerfristig zu sichern», erklärte der Chefarzt. Und das war wirklich notwendig. Es folgten Tage mit 3 bis 4 Lektionen: Therapeutisches Wandern, Gymnastik, Velo, Lungentest, Schulung Atemorgane, Schulung Atemtherapie, Krafttraining, Physio- und Bewegungstherapie, etc. In den folgenden Tagen und Nächten registrierte ich auch hier stets freundliche, kompetente Pflegerinnen, Pfleger, Ärztinnen und Ärzte. Nach 2 Wochen folgte die Schlussuntersuchung, das Austrittsgespräch beim «Chef». Danach wurde ich nach Hause entlassen, mit folgendem Rat: «Rechnen Sie nicht mit Tagen, rechnen Sie mit Wochen und Monaten, bis Sie sich wieder fit fühlen».

Markus Grütter hat das Coronavirus überstanden, aber sein Weg hin bis zur Genesung war lang. Auch heute noch hat er mit Spätfolgen zu kämpfen.

Die körperlichen, seelischen, sozialen, Konzentrations- und Koordinations-Fähigkeiten sind nach diesem 7 Wochen merkbar beeinträchtigt. Einfach ein Email beantworten macht Mühe. Es wird mir bewusst: Da ist wohl die Krankheit geheilt, nicht aber die Folgen beseitigt. In Berichten ist zu erfahren, dass es Verläufe mit 8 Wochen Intensiv-Pflegestation, künstlicher Beatmung, künstlicher Ernährung, Koma gibt. Dagegen habe ich einen eher leichter Krankheitsverlauf erlebt. Dazu hat wohl mehr als ein Schutzengel mir zur richtigen Zeit zu den richtigen Entscheidungen verholfen. Trotzdem bleibt noch viel zu tun, um zu «alter Frische» zurück zu finden. Die Reha-Lektionen werde ich wohl noch einige Monate weiterführen. Unter diesem Aspekt sei mir der etwas holprige Schreibstil dieses Berichts etwas nachzusehen.

Corona ist eine tückische Krankheit, jeden kann es anders treffen, die Erfahrung der Medizin ist begrenzt und neue Varianten sind nicht voraussehbar. Also passen wir auf.

Mit den besten Wünschen, bleibt gesund! Allen Mitgliedern des Personals danke ich von Herzen und ziehe meinen Hut vor Ihnen.

Markus Grütter, Birr

Fotos: Markus Grütter

1 Kommentar Schreibe einen Kommentar

  1. Lieber Markus

    Habe erst heute von deiner Leidensgeschichte erfahren. Ich wünsche dir weiterhin gute Besserung und dann noch weitere 30 gesunde Jahre.
    Liebe Grüsse vom Hauswart deines Ex-Arbeitgebers.

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