Von Martina Leser
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Das Insektensterben in der Schweiz ist ein alarmierendes Zeichen, denn es zeigt deutlich den Verlust an Biodiversität auf und bedroht auch die Lebensgrundlage von uns Menschen. Doch zum Glück kann jede und jeder aktiv kleine Dinge dafür tun, dass die Biodiversität und unsere Insekten länger erhalten bleiben.
Gemäss «ProNatura» gelten über 160 bekannte Insektenarten in der Schweiz mittlerweile als ausgestorben. Und das Insektensterben schreitet immer schneller voran, wenn wir nicht aktiv Dinge dafür tun, dass sich die Insekten bei uns wohlfühlen. Das Problem: Sterben unsere heimischen Insekten weg, ist auch unser Leben irgendwann nicht mehr möglich. Weshalb das?
Weltweit sind 60 Prozent aller Tierarten Insekten. Sterben sie aus, hat dies einen massiven Einfluss auf das gesamte Ökosystem und damit auf das Überleben anderer Tierarten und den Menschen, denn das Ökosystem ist wie ein Sicherungsnetz: Sind zu viele Fäden kaputt, hält das Netz nicht mehr.
Es ist deshalb besonders alarmierend, dass sich in der Schweiz innerhalb von nur drei Jahrzehnten in verschiedenen Gebieten die Insektenpopulationen um bis zu 75 Prozent dezimiert hat und dass die Zahl an Arten dramatisch abnimmt. Zwei Drittel aller Schmetterlings- und Wasserkäferarten beispielsweise sind in ihrer Existenz bedroht. Und: Laut «ProNatura» gehören 40 Prozent der bisher untersuchten Insektenarten der Schweiz mittlerweile zu den «gefährdeten Arten».
Warum sind die Insekten in Gefahr?
Der (zum Teil massive) Rückgang an Insekten in der Schweiz hat verschiedene Ursachen: Hauptgründe für das Insektensterben sind die intensive Landwirtschaft, der massive Einsatz von Pestiziden und die Zerstörung natürlicher Lebensräume. Zwei weitere wichtige Gründe sind der Klimawandel generell und die Lichtverschmutzung in der Schweiz.
Einen stark negativen Einfluss auf Natur und Umwelt hat die intensive Landwirtschaft: Sie ist hauptsächlich verantwortlich für die hohe Belastung mit Pestiziden, und das Problem ist, dass diese Giftstoffe auch sogenannte «Nichtziel-Organismen» – wie beispielsweise Wild- und Honigbienen – angreifen. Die Auswirkungen der Pestizide können entweder sofort eintreten oder sich erst im Lauf der Zeit bemerkbar machen, Fakt ist aber: In beiden Fällen sterben die Insekten.
Ein weiteres Problem ist die Zerstörung naturnaher Lebensräume (zum Beispiel durch Bautätigkeiten, intensive Landwirtschaft oder die Entwässerung von Feuchtgebieten). Auch der Rückgang artenreicher Trocken- und Bergwiesen, durch Bautätigkeiten oder den Klimawandel generell, führt zum Verlust wertvoller Insekten-Lebensräume.
Häufig unterschätzt wird die Lichtverschmutzung, doch Fakt ist: Die Hälfte aller Insektenarten ist in der Nacht aktiv. Sie sind auf Dunkelheit und auf das natürliche Licht von Mond und Sternen angewiesen. Hell erleuchtete Strassen, grelle Leuchtreklamen oder Gartenbeleuchtungen stören ihr natürliches Verhalten – mit negativen Auswirkungen auf ihre Überlebenschancen. Fluginsekten beispielsweise werden von künstlichen Lichtquellen angezogen und sterben dann irgendwann an Erschöpfung oder als leichte Beute für Vögel und Fledermäuse.
Weshalb sind Insekten so wichtig?
Insekten sind für unsere Ökosysteme unersetzlich: 80 Prozent der Wild- und Kulturpflanzen beispielsweise sind abhängig von der Insektenbestäubung, wobei besonders die Wildbienen eine weitaus grössere Rolle spielen, als bisher geglaubt: Die Bestäubung durch «domestizierte» Honigbienen reicht nämlich bei weitem nicht aus, um die landwirtschaftlichen Erträge zu sichern. Zudem ernähren sich 60 Prozent der heimischen Vögel und unzählige weiterer Tiere hauptsächlich von Insekten.
Auch unser eigenes Überleben wäre ohne Insekten kaum denkbar, denn die Insekten übernehmen weitere wichtige Aufgaben in der Natur: Sie zersetzen abgestorbene Biomasse (ohne dies würde Natur quasi in ihrem eigenen «Abfall» ersticken), verbessern die Bodenqualität und reinigen unser Wasser. Auch in der Forst- und Landwirtschaft sind Insekten wichtige Nützlinge: Im Bioanbau beispielsweise, wo auf Pestizide weitestgehend verzichtet wird, ist die Förderung von Nützlingen ein elementarer Bestandteil der Produktion. Hier dämmen sie die Ausbreitung nicht erwünschter Insekten ein.
Insekten sind also schlicht und einfach systemrelevant.
Was können wir dafür tun, dass es den Insekten gut geht?
Um den Insektenschwund zu stoppen, braucht es gemäss «ProNatura» grosse und kleine Massnahmen. Nur wenn Konsumentinnen mit kleinen Massnahmen und Landwirte, Behörden und Verbände gemeinsam mit grossen Massnahmen Verantwortung übernehmen würden, könne das Insektensterben aufgehalten werden, so die Naturschutzorganisation.
Bioprodukte kaufen
Wir alle, als Konsumentinnen und Konsumenten, können durch den Kauf von Bio- und regionalen / saisonalen Produkten massgeblich zum Schutz der Insekten beitragen.
Pflanzen mit Nutzen für Insekten setzen
Haben Sie einen eigenen Garten, ist es wichtig, keine Chemie einzusetzen, insektenfreundliche Blumen und Sträucher zu pflanzen und heimische Pflanzen mit Blüten oder Pflanzen mit Nutzen für Insekten zu kaufen (Hier finden Sie eine grosse Liste an passenden Pflanzen vom Frühling bis in den Herbst).
Wasserschalen aufstellen
Ist es während einer längeren Zeit sehr trocken, empfiehlt es sich, Trinkgelegenheiten für Vögel und Insekten aufzustellen. Das geht auch auf einem Balkon, nicht nur in einem grossen Garten.
Eine Totholzhecke errichten
Wenn Sie Ihre Obstbäume schneiden, werfen Sie den Schnitt nicht weg, sondern schichten Sie einen Teil der Äste zu einer Totholzhecke auf. Diese Hecke bietet Insekten, Vögeln und Kleintieren wie etwa Igeln und Eidechsen Lebensraum und Unterschlupf im Winter und dient als Nahrung und Baumaterial.
Ein Insektenhotel bauen
Kaufen Sie oder bauen Sie selbst ein Insektenhotel, wenn Sie mögen. Das Hotel bietet viele Nistmöglichkeiten auf kleinstem Raum, vor allem dann, wenn verschiedene Naturmaterialien wie beispielsweise Reisig, Holzscheiben oder Stängel verblühter Blumen genutzt werden.
Steinhaufen oder Trockenmauern bauen
Legen Sie Steinhaufen oder eine kleine Trockenmauer in Ihren Garten. Steinhaufen und Trockenmauern ziehen wärmeliebende Tiere an, wie beispielsweise die Grosse Wollbiene oder die Schwarze Mörtelbiene. Aber auch Eidechsen und Blindschleichen sonnen sich natürlich gerne auf den Steinen.
Lehm oder Sand im Garten anbieten
Stellen Sie eine Schale mit feuchtem Lehm auf Ihren Balkon oder in Ihren Garten: Viele Insekten, wie beispielsweise die Mauerbiene oder die Mauer-Lehmwespe, benötigen Lehm, um ihre Nester zu bauen. Doch weil immer mehr Bodenflächen versiegelt werden, fehlt solches Baumaterial vielerorts. Wenn es in Ihrem Garten Raum dafür gibt, können Sie auch offene Bodenflächen anbieten. Und: Hier bietet sich nicht nur Lehm an: In sandigen Böden finden verschiedene Wildbienenarten Platz für ihre Bruthöhlen.
Einen (kleinen) Gartenteich anlegen
Legen sie einen (kleinen) Gartenteich an: Bereits ein kleiner Teich ist ein echtes Biotop für viele Insektenarten und dank Fertigbausätzen oder DIY-Anleitungen lässt sich der Miniteich kinderleicht selbst anlegen. Toller Nebeneffekt: Die Wasserfläche sorgt an heissen Tagen für einen angenehmen Temperaturausgleich im Garten.
Lassen Sie es wuchern!
Lassen Sie es wuchern in Ihrem Garten! Ein schöner Garten macht viel Arbeit. Manche Arbeiten kann man sich jedoch, zumindest teilweise, sparen. Wenn Sie hier und da etwas Wildwuchs zulassen und einen Teil der Wiese nicht oder erst später mähen, bietet das Insekten zusätzlichen Lebensraum.
Lichtverschmutzung reduzieren
Reduzieren Sie die nächtliche Lichtbelastung im Garten und auf dem Balkon, vermeiden Sie Blautöne und wählen Sie stattdessen bernsteinfarbene oder warmweisse Beleuchtungen – und: Beleuchten Sie nur bedarfsorientiert. Bei Ihrer Beleuchtung können Sie zudem viel erreichen, wenn Sie Wandleuchten benutzen, die das Licht nur nach unten abstrahlen und Strahler/Fluter horizontal montieren und nach unten ausrichten.
Quellen: www.pronatura.ch, www.wwf.de, www.nationalgeographic.de, www.nabu.de, www.quarks.de.