Narkolepsie: Oft vergehen zehn Jahre bis zur Diagnose

Von Martina Leser
Lesedauer: 4 Minuten

Narkolepsie ist eine seltene Erkrankung und wird häufig sehr spät erkannt bei den Betroffenen. Meist erfolgt die richtige Diagnose erst in einem Schlaflabor. Auch auf der Barmelweid diagnostizieren und behandeln wir Narkolepsie-Betroffene. Im Interview erklärt unser Leiter Schlafmedizin, Prof. Dr. med. Ramin Khatami, was Narkolepsie ist, wie sie diagnostiziert wird und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt.

Prof. Dr. med. Ramin Khatami, zum Starten eine ganz grundsätzliche Frage: Was ist Narkolepsie und wie äussert sie sich bei den Betroffenen?

Die Narkolepsie ist eine chronische, neurologische Autoimmunerkrankung, die in zwei Haupttypen (=Spektrum) eingeteilt wird. Typ 1 zeigt das sogenannte «Vollbild» der Krankheit, bei der es zu einer starken Tagesschläfrigkeit kommt, der Nachtschlaf gestört ist, Schlaflähmungen und Kataplexien  vorkommen und / oder nächtliche Halluzinationen und andere, unspezifische Symptome, auftreten. Kataplexien sind kurz andauernde Episoden von Muskelversagen, die unterschiedlich schwer ausfallen können und in denen die Betroffenen langsam in sich zusammensacken (Arme und / oder Beine knicken ein). Ausgelöst werden Kataplexien meist durch positive Emotionen, wie Lachen oder freudige Überraschungen, weshalb man sie auch als «Lachschlag» bezeichnet. Seltener können auch negative Emotionen Kataplexien auslösen. Bei Narkolepsie-Betroffenen des zweiten Typs fehlen diese Kataplexien, die restlichen Symptome sind gleich, wie bei Typ 1.

Prof. Dr. med. Ramin Khatami ist der Leiter unserer Schlafmedizin und betreut mit seinem Team unter anderem auch Narkolepsie-Patientinnen und -Patienten.

Narkolepsie ist eine seltene Krankheit und deshalb schwierig zu diagnostizieren. Welchen Leidensweg haben die Patientinnen und Patienten häufig hinter sich?

Das stimmt. In der Regel vergehen zehn Jahre, bis bei einer betroffenen Person die richtige Diagnose – meist in einem Schlaflabor – gestellt wird. Die Krankheit beginnt oft bereits im Jugendalter und dort wird die Schläfrigkeit häufig anderen Ursachen (zu wenig Schlaf, schlechter Tag-Nacht-Rhythmus durch Partyverhalten, Stress in Schule und Ausbildung) zugeschrieben. Meist werden weitergehende Abklärungen erst dann in Angriff genommen, wenn die Symptome so schlimm werden, dass Betroffene selbst in aktiven Situationen, z.B. während des Essens, einschlafen.  

Im Schlaflabor wird – meist erst nach vielen Jahren – die richtige Diagnose gestellt.

Was wird im Schlaflabor gemacht, wenn bei einer Person der Verdacht auf Narkolepsie besteht?

Wenn der Verdacht besteht, dass jemand an Narkolepsie leidet, dann werden im Schlaflabor zum einen das Schlaf- und Wachverhalten untersucht. Narkolepsie-Betroffene schlafen am Tag meist sehr schnell ein (innerhalb von ungefähr 2-3 Minuten), selbst wenn sie wach bleiben sollten. In der Nacht werden sie häufig von Schlafproblemen gequält, wenn sie dann aber einschlafen, beginnt ihr Schlaf direkt mit dem Traum-Schlaf, dem sogenannten REM-Schlaf. Das Phänomen nennt man sleep onset REM oder SOREM und kommt bei Gesunden nicht vor. Daran lässt sich eine Narkolepsie erkennen.

Zum anderen wird mittels Liquorpunktion eruiert, ob das Hormon Orexin (auch als Hypocretin bekannt) vorhanden ist, oder nicht. Orexin spielt bei der Regulation von Schlaf und Wachsein eine wichtige Rolle. Bei Narkolepsie-Patientinnen und –Patienten ist das Hormon nur noch in einer sehr geringen Menge oder gar nicht mehr vorhanden, da die Zellen, welche das Hormon im Hypothalamus herstellen, (teilweise) zerstört sind. Nach heutigem Wissensstand gehen wir davon aus, dass die Orexinzellen durch das eigene Immunsystem zerstört werden, die Narkolepsie also eine Autoimmunerkrankung darstellt. Die genauen Entstehungsmechanismen sind Gegenstand eines grossen Forschungsprojektes, SPHYNCS genannt, an dem die Barmelweid führend teilnimmt. 

Wird Narkolepsie vererbt? Oder wodurch wird sie ausgelöst?

Jein. Narkolepsie tritt nur bei Menschen mit einer bestimmten genetischen Veranlagung auf (interessanterweise durch Gene verursacht, die für die Immunerkennung verantwortlich sind), diese allein reicht aber in den meisten Fällen nicht aus, um die Krankheit auszulösen. Erst in Kombination mit anderen Ereignissen, z.B. bestimmten Viruserkrankungen oder der Impfung gegen diese Viren, kann sich bei dieser genetischen Veranlagung das Immunsystem aktivieren und eine Narkolepsie auslösen.

Ist Narkolepsie heilbar?

Nein, Narkolepsie ist derzeit noch nicht heilbar. Das Ziel ist es deshalb, die Erkrankung so früh wie möglich zu diagnostizieren, um mit geeigneten Medikamenten das Fortschreiten der Zellzerstörung zu verhindern.

Je früher die Krankheit diagnostiziert wird, desto besser können die Symptome unter Kontrolle gehalten werden.

Was kann die Schlafmedizin für die Betroffenen tun, damit sie besser durch den Alltag kommen?

Wir können den Betroffenen einerseits Medikamente anbieten, welche die Symptome lindern oder verhindern (z.B. die Kataplexien), andererseits geben wir ihnen praktische Tipps mit auf den Weg, wie sie besser durch den Alltag kommen. Wir raten ihnen beispielweise, am Tag fix 2 – 3 Powernaps einzuplanen, damit sie in der restlichen Zeit am Tag weniger einnicken. Die kurzen Schlafphasen dürfen dabei nicht länger als 15 – 30 Minuten dauern.

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