Parasomnien: Schlafwandeln und REM-Schlaf-Verhaltensstörung (RBD)

Von Martina Leser und Prof. Dr. med. Ramin Khatami
Lesedauer: 5 Minuten

«Parasomnie» ist der Überbegriff für ein breites Spektrum an Erkrankungen mit unerwünschten Verhaltensweisen beim Einschlafen, im Schlaf oder beim Aufwachen. Die bekanntesten Störungen sind das Schlafwandeln und die REM-Schlaf-Verhaltensstörung. Im Blogbeitrag gehen wir mit Prof. Dr. Ramin Khatami diesen zwei sehr unterschiedlichen Parasomnien auf den Grund.

«Parasomnie» ist der Überbegriff für ein breites Spektrum an Erkrankungen mit unerwünschten Verhaltensweisen beim Einschlafen, im Schlaf oder beim Aufwachen. Dabei variiert das Spektrum altersspezifisch, das heisst, Kinder und Erwachsene leiden an unterschiedlichen und verschieden stark ausgeprägten Formen der Parasomnie. Die bekanntesten Parasomnien sind das Schlafwandeln und die REM-Schlaf-Verhaltensstörung (oft RBD abgekürzt). Mit Prof. Dr. Ramin Khatami gehen wir diesen zwei sehr unterschiedlichen Parasomnien auf den Grund.

«Ganz grundlegend ist das Schlafwandeln eine Aufwachstörung (im Fachjargon auch als Arousalstörung bezeichnet), während die REM-Schlaf-Verhaltensstörung zu dem REM-Schlaf-assoziierten Parasomnien zählt. Zum Schlafwandeln kommt es üblicherweise aus dem Tiefschlaf heraus, meist etwa eine Stunde nach dem Einschlafen, während die REM-Schlaf-Verhaltensstörung während des REM-Schlafs, also während des Traumschlafs in den frühen Morgenstunden, auftritt,» erklärt Prof. Dr. Ramin Khatami. Die zwei Störungen haben also eine ganz unterschiedliche Ursache, die wir in diesem Beitrag genauer beleuchten.

Schlafwandeln: Etwa 4% der Erwachsenen sind betroffen
Etwa 4% aller Erwachsenen und etwa 30% der Kinder sind im Schlaf unterwegs, meist beginnt das Schlafwandeln bereits in der Kindheit. Eltern kennen beispielsweise den «Nachtschreck», bei dem ganz kleine Kinder schreiend aufzuwachen scheinen – ein meist sehr beängstigendes Erlebnis für die Eltern. Für die Kinder ist dies zum Glück jedoch nicht so: Ihr Gehirn befindet sich in einem Zwischenzustand zwischen Wach-Sein und Schlafen, wobei der Gedächtnisteil des Gehirns schläft – der Grund dafür, dass sich die Kinder am Tag danach nicht an das Geschehene erinnern und damit auch keine Ängste entwickeln.

Das Schlafwandeln im Kindesalter beginnt ungefähr ab dem Alter von 3 bis 5 Jahren, wobei das Phänomen oft in der Pubertät wieder verschwindet. Bei Kindern, die Schlafwandeln, ist es wichtig, für einen regelmässigen Schlaf-Wach Rhythmus zu sorgen (also beispielsweise immer zur selben Zeit ins Bett gehen) und Schlafentzug und das Schlafen in ungewohnten Situationen wenn möglich zu vermeiden. Ein gleichmässiges Schlafverhalten ist übrigens auch bei erwachsenen Betroffenen wichtig: Es treten dadurch explizit weniger häufig Schlafwandel-Episoden auf.

Und plötzlich ist das Bett leer: Schlafwandlerinnen und Schlafwandler sind nachts untwergs.

Woher kommt das Schlafwandeln?
Schlafwandeln ist häufig genetisch bedingt. «Ist ein Elternteil davon betroffen, so hat das Kind ein 7-fach erhöhtes Schlafwandelrisiko, sind beide Elternteile betroffen, so steigt das Risiko fürs Kind sogar aufs 12-Fache an», so Prof. Dr. Khatami. Bei Erwachsenen, die plötzlich neu Schlafwandeln, muss nach anderen Ursachen gesucht werden. Hinter dem Schlafwandeln könnte ein Tumor stecken, eine Epilepsie oder Entzündungen des Gehirns.  Als auslösende Faktoren für das Schlafwandeln sind Fieber und Schlafmangel bekannt.

Wann muss Schlafwandeln behandelt werden?
«In der Regel muss Schlafwandeln, vor allen bei Kindern, gar nicht behandelt werden», sagt Prof. Dr. Khatami, «doch wenn Verletzungsgefahr für die Patientinnen und Patienten oder andere Familienmitglieder besteht, ist eine Behandlung ins Auge zu fassen.» Solche Patientinnen und Patienten verletzten sich während ihrer schlafwandlerischen Handlungen, beispielsweise beim nächtlichen Kochen und Essen, fielen aus dem Fenster oder aus dem Hochbett oder griffen andere Familienmitglieder an, so der Professor. Das Problem dabei: Während dem Schlafwandeln verspüren die Betroffenen keinen Schmerz. Diesen bemerken sie erst am Morgen, wenn sie wieder wach sind.

In solch schweren Fällen können Medikamente oder nicht-medikamentöse Therapien zum Einsatz kommen – beispielweise hochdosiertes Melatonin – oder auch eine Form der Konditionierung angewendet werden. Prof. Dr. Khatami erklärt, wie das funktioniert: «Um das Bett wird ein <kratziger> Rasenteppich ausgelegt und die Betroffenen üben am Tage im Wachzustand, dass sie, wenn sie nachts diesen Untergrund unter den Füssen spüren, wach werden. So wird erreicht, dass Schlafwandlerinnen und Schlafwandler direkt wieder wach werden, wenn sie das Bett nachts verlassen wollen.» Des Weiteren ist es immer wichtig, die Wohnsituation anzupassen: Alle potenziell gefährlichen, scharfen oder spitzen Gegenstände wegräumen, Fenster abschliessen, wenn möglich im Erdgeschoss wohnen und allenfalls in getrennten Betten schlafen.

REM-Schlaf-Verhaltensstörung: Wenn Träume «ausgelebt» werden
Im Gegensatz zum Schlafwandeln, das während des Tiefschlafs ziemlich bald nach dem Zu-Bett-Gehen auftritt, kommt es zur REM-Schlaf-Verhaltensstörung während des Traumschlafs, also in den frühen Morgenstunden. «Betroffene leben ihre Träume quasi aus, das heisst, von aussen ist teilweise richtig zu erkennen, was sie genau träumen», erklärt Prof. Dr. Khatami. Dabei können die Bewegungen sehr heftig sein: Betroffene schlagen um sich, boxen, stossen mit den Füssen, treten, richten sich im Bett auf, krabbeln umher oder wälzen den Körper.

Dies ist erstaunlich, denn normalerweise ist der Körper während des REM-Schlafs gelähmt – einzig die Atmung und die charakteristischen schnellen Augenbewegungen, die diesem Schlafstadium den Namen gegeben haben (rapid eye movements =REM), funktionieren während dieser Phase des Schlafs. Das Problem: Bei sehr starken oder abrupten Bewegungen können sich Betroffene selbst oder andere im Bett liegende Personen gefährden.

Wenn Träume – ausgelöst durch die RBD – «ausgelebt» werden, kann dies zu sehr starken oder abrupten Bewegungen führen, durch die sich Betroffene selbst oder andere im Bett liegende Personen gefährden können.

Oft neurodegenerative Erkrankungen als Ursache
Wie Prof. Dr. Khatami erklärt, sind häufig neurodegenerative Erkrankungen die zugrundeliegende Ursache für eine REM-Schlaf-Verhaltensstörung, beispielsweise Parkinson oder Demenzerkrankungen – wobei die REM-Schlaf-Verhaltensstörung wiederum oft das erste offensichtliche Anzeichen dafür ist, dass eine neurodegenerative Erkrankung vorliegt. «Bei Parkinson und Demenzen dauert es in der Regel 3-4 Jahre nach dem ersten Auftreten einer RBD, bis sich die neurodegenerative Erkrankung auch tagsüber zeigt und die richtige Diagnose gestellt wird», erklärt der Professor, «wird <heftiges Träumen> aber früh beim Hausarzt oder der Hausärztin erwähnt, kann dies helfen, schneller zu einer Diagnose zu gelangen.»

In der Regel tritt die REM-Schlaf-Verhaltensstörung erstmals im Alter zwischen 40 und 70 Jahren auf, ein früheres Auftreten ist selten. Und: 9 von 10 betroffenen Personen sind Männer. Neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson oder Demenzen frühzeitig zu diagnostizieren ist enorm wichtig: Eine frühe Diagnose ermöglicht, das Leiden früher zu behandeln (= das Absterben der betroffenen Zellen im Gehirn zu verhindern) und dadurch das Fortschreiten der Erkrankung hinauszuzögern.  Prof. Dr. Ramin Khatami rät deshalb allen Personen, die  aussergewöhnliche Bewegungen oder Handlungen während des Träumens feststellen: «Werden Sie vorstellig bei Ihrer Hausärztin oder Ihrem Hausarzt, damit man dem Problem nachgehen und eine allenfalls frühzeitig behandeln kann».

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