«Wir sind oft am Rennen – rund um die Uhr»

Von Martina Leser
Lesedauer: 5 Minuten

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der Station A1 – unserer Covid-Station – sind seit Wochen in besonderem Masse gefordert. Die Betreuung der hohen Anzahl an Corona-Patientinnen und -Patienten ist nur mit dem Einsatz aller und einem sehr guten Teamspirit zu schaffen. Unsere Social Media-Managerin Martina Leser hat sich an die Fersen von Stationsleiterin Daniela Rodrigues geheftet und berichtet in einer Kurzreportage über die aktuelle Situation.

Kurz nach halb Elf betrete ich die Station A1 – hier sind sie also, unsere Covid-Patientinnen und Patienten. Instinktiv kontrolliere ich in der Spiegelung einer Fensterscheibe, ob mein Mund-Nasen-Schutz korrekt sitzt und mache mich dann auf zum Stationszimmer. Ich klopfe und frage nach Stationsleiterin Daniela Rodrigues, mit der ich verabredet bin. Sie ist aber nicht da, sondern gerade bei einem Covid-Patienten im Zimmer. Ich warte im Gang und beobachte, was alles rund um mich herum läuft. Es scheint aktuell eher ruhig zu sein heute, aber ich weiss, dass sich dies sehr schnell ändern kann, seit die Barmelweid so viele Corona-Patientinnen und -Patienten betreut.

Kurze Zeit später kommt Daniela Rodrigues aus dem Patientenzimmer, lacht, winkt mir zu und schält sich dann routiniert aus ihrer speziellen Mehrweg-Isolationsschürze. Sie desinfiziert ihre Schutzbrille und die Hände und ist dann bereit, mir zu zeigen, wie ihr Alltag auf der Station momentan aussieht. Etwas mehr als die Hälfte der 44 Betten auf A1 ist zurzeit belegt mit Corona-Patientinnen und Patienten. «Wie verändert das euren Alltag auf der Station?», möchte ich von Daniela als erstes wissen. Sie erklärt: «Wir müssen insgesamt schneller reagieren, sind tatsächlich oft am Rennen – vor allem nachts. Dies in erster Linie deshalb, weil unsere Corona-Patientinnen und -Patienten ganz einfach kränker sind, als unsere ‚normalen‘ Reha-Patientinnen und -Patienten. Ausserdem ist die Arbeit momentan auch körperlich anstrengender: Das ständige Rennen, An- und Ausziehen der Mehrwegschürze und Desinfizieren aller möglicher Gegenstände ist mühsam, man kommt ins Schwitzen und muss trotzdem jederzeit höchst konzentriert bleiben».

Um allen Patientinnen und Patienten gerecht zu werden, hat die Pflegedienstleiterin der Barmelweid alle Arbeitsschichten personell verstärkt. Dabei greift das Team von A1 auch auf pensionierte Mitarbeitende, auf Physiotherapeutinnen und -therapeuten und auf eine Person aus dem Controlling zurück – nur so ist die grosse Arbeitslast zu schaffen. «Zum Glück haben wir (ehemalige) Mitarbeitende, die keine Sekunde gezögert haben, als wir sie für Sondereinsätze auf der Covid-Station angefragt haben,» erklärt Daniela, «denn jetzt wiegt jeder Personalausfall schwer, wir brauchen einfach jede und jeden auf der Station.» Mittlerweile hat Daniela die Schutzausrüstung vor dem nächsten Patientenzimmer angezogen und ist bereit, zur Patientin zu gehen. Während ich vor dem Zimmer warte, reisst mich plötzlich ein Alarm aus meinen Gedanken – Reanimation im zweiten Stock! Sofort rennen auch Mitarbeitende aus A1 in den zweiten Stock, obwohl sie auf der eigenen Station eigentlich genug zu tun hätten. Das sei so üblich bei einem Reanimationsalarm, erklärt mir Daniela später in einer ruhigen Sekunde. Dieses Mal war es zum Glück nur ein Fehlalarm, die Reinigungsmitarbeiterin ist versehentlich auf den Alarmknopf gekommen.

Während Daniela am Computer verschiedene Werte der eben versorgten Covid-Patientin eingibt, frage ich sie, was denn momentan am schwierigsten ist im Umgang mit den Corona-Kranken. «Viele der Patientinnen und Patienten sind älter und zum Teil auch dement. Sie verstehen teilweise nicht, dass sie isoliert bleiben müssen und wollen das Zimmer verlassen. Für solche Patientinnen und Patienten mussten wir Sitzwachen organisieren, die sicherstellten, dass die Corona-Kranken in ihren Zimmern bleiben. Schwierig ist auch, wenn wir Patientinnen und Patienten sagen müssen, dass sie zwar nicht mehr isoliert werden müssen, aber dass sie wegen dem geltenden Besucherstopp trotzdem keinen Besuch empfangen dürfen,» berichtet Daniela weiter. Es sei dafür schön zu beobachten, dass die Angehörigen der Patientinnen und Patienten zurzeit sehr kreativ sind und zum Beispiel wieder häufiger Pakete schicken oder kleine Geschenke mitgeben, wenn sie zum Beispiel frische Wäsche unten am Empfang abgeben.

Nach jedem Besuch bei einem Patientin oder einem Patienten gibt es viel am Computer einzutragen.

Bevor Daniela ins nächste Patientenzimmer geht, frage ich sie, was ihr Halt und Motivation gibt, um trotz der schwierigen Situation jeden Tag weiterzumachen. Die Antwort kommt schnell und direkt: «Der tolle Zusammenhalt im Team! Die aussergewöhnliche Situation hat uns mehr zusammengeschweisst und wir verstehen uns beinahe blind. Sehr positiv ist auch die grosse Unterstützung, die wir von den Mitarbeitenden der Patientenhotellerie erhalten. Hier hat es sich gelohnt, dass wir sie im Umgang mit Covid-Patienten geschult haben – hatten sie im Frühjahr und Sommer noch zu viel Respekt, in die Zimmer zu gehen, nehmen sie uns nun mit dem Servieren und Abräumen des Essens in den Zimmern eine wichtige Arbeit ab.»

Angst, sich auf der Station mit Corona anzustecken, haben die Mitarbeitenden von A1 nicht. Dass dies so ist, ist auch der zunehmenden Routine zu verdanken. War die erste Welle im Frühling noch von grosser Unsicherheit geprägt, da man einfach noch zu wenig über die neuartige Krankheit wusste und geeignetes Schutzmaterial knapp war, ist man heute gut (aus-) gerüstet. Und trotzdem sehnen sich natürlich alle wieder nach etwas mehr Normalität auf der Station. Bevor ich A1 wieder verlasse, möchte ich deshalb von Daniela wissen, worauf sie sich am meisten freut, wenn die Pandemie dann irgendwann endlich hinter uns liegen wird. Sie lächelt – hinter der Maske versteckt – und sagt: «Darauf, endlich wieder ohne Maske arbeiten zu können. Ja… darauf freue ich mich am allermeisten.»

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