Languishing: Und plötzlich ist alles nur noch «blah»

Von Katherina Whinyates und Martina Leser
Lesedauer: 4 Minuten

Einer der meistgelesenen Artikel des vergangenen Jahres ist «There’s a Name for the Blah You’re Feeling: It’s Called Languishing» des Psychologen Adam Grant. Erschienen ist der Artikel im April 2021 in der New York Times. Grant beschreibt darin einen Zustand, den viele von uns – in der mittlerweile fast zwei Jahre andauernden Pandemie – bestimmt kennen: Languishing, das unbefriedigende «Sich-Durch-Den-Tag-Wursteln». Mit unserer Oberpsychologin Katherina Whinyates gehen wir dem Begriff auf den Grund und zeigen auf, wie man aus dem «Blah»-Zustand wieder herauskommt.

Seit April 2021 zirkuliert weltweit der Begriff «Languishing», welcher einen Zustand des Stagnierens, des Erlahmens und des Ermattens beschreibt. Den Stein ins Rollen gebracht hat der amerikanische Organisationspsychologe Adam Grant mit seinem Artikel «There’s a Name for the Blah You’re Feeling: It’s Called Languishing».

Eigentlich existiert der Begriff «Languishing» bereits seit Längerem. Dass er aber erst jetzt so richtig bekannt geworden ist, erstaunt unsere Oberpsychologin Katherina Whinyates nicht: «Den Begriff ‚Languishing‘ gibt es in der Psychologie eigentlich bereits seit den 1990-er-Jahren», erklärt sie, «doch so richtig Fahrt aufgenommen hat er erst mit der Pandemie – und zwar einfach deshalb, da plötzlich ganz viele Menschen, rund um den Erdball, von diesem Gefühl des ‚Blah‘ betroffen sind.»

Katherina Whinyates weiss: So richtig Fahrt aufgenommen hat «Languishing» erst mit der Pandemie – und zwar einfach deshalb, da plötzlich ganz viele Menschen, rund um den Erdball, von diesem Gefühl des «Blah» betroffen sind.

Alles plötzlich nur noch «blah»?
Aber was ist es denn eigentlich, dieses Gefühl des «Blah»? Und woher kommt es? Katherina Whinyates erklärt: «Es fühlt sich für die Betroffenen nicht schön an. Es ist ein Gefühl des Ermattens, ein Gefühl, nichts mehr selber bewegen zu können, in einer festgefahrenen Situation festzustecken. Das macht leer und man beginnt, sich einfach lustlos im Strom des Alltags treiben zu lassen.»

Dass viele Menschen genau jetzt in diesen lust- und antrieblosen Zustand hineingerutscht sind, ist mit der Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen zu erklären: «Die ständig ändernden Verhaltensregeln in Bezug auf Corona, das Arbeiten zu Hause, das Homeschooling der Kinder, das Nicht-Mehr-Ausgehen-Können, fehlende Glücksgefühle – das alles sind Faktoren, die Menschen verunsichern und – je länger der Zustand andauert – irgendwann in die Resignation führen. Dadurch wiederum entstehen Stress und Erschöpfung und es macht sich der Gedanke ‚Was bringt das alles eigentlich noch?‘ breit», weiss Katherina Whinyates.

Die Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen führen bei viele Menschen zu Stress und Erschöpfung.

Die gute Nachricht aber ist: Wer unter Languishing leidet, der ist nicht unbedingt behandlungsbedürftig, wie es beispielsweise ein Burnout-Betroffener oder jemand mit einer Depression ist (mehr zu den beiden Krankheitsbegriffen finden Sie unten im Kasten). Mit ein paar wenigen, einfachen Tricks kann man sich selbst wieder aus dem – wie es die amerikanische Psychologin Sheila Forman nennt – «Blues der Pandemie» herausholen.

Mit kleinen Zielen wieder Selbstwirksamkeit erleben
«Wer im Laufe der vergangenen zwei Jahren ermattet ist, der muss nicht verzweifeln», ermutigt Katherina Whinyates alle von Languishing Betroffenen, «wichtig ist zunächst einfach, dass man sich eingehsteht, dass man sich ‚blah‘ fühlt und darüber redet – also das Problem konkret erkennt und benennt. Denn: Wer sich seinem Problem bewusst sei, erklärt die Psychologin, könne dieses auch aktiv angehen.

Doch wie packt man das Languishing am Kragen? «Betroffene können das Problem angehen, indem sie sich neue, zunächst vielleicht ganz kleine, Ziele stecken, um wieder in die Gänge zu kommen», sagt Katherina Whinyates. Sich ein neues Hobby suchen oder alte Leidenschaften wiederbeleben könnten beispielweise solche Ziele sein. Das Setzen und Erreichen kleiner Ziele führe bei den Betroffenen dazu, dass sie sich wieder als selbstwirksam erleben und damit auch wieder in den Flow zurückfinden (siehe auch den Blogbeitrag dazu). Wichtig für ein Flowerleben ist dabei die ungestörte Aufmerksamkeit, das heisst Zeiten ohne Social Media und Unterbrüche durch Kurz- oder Push-Nachrichten.

Mit einem neuen Hobby starten oder alte Leidenschaften wiederbeleben hilft, um aus dem Pandemie-Blues herauszukommen.

«Dass das Ende der Pandemie langsam in Reichweite rückt, das unterstützt den Prozess des ‚Wiederaufstehens‘ sicher zusätzlich», sagt Katherina Whinyates, «und trotzdem: Wir dürfen keinen Boom-Effekt erwarten in den nächsten Wochen und Monaten. Bis unsere Leben wieder in ihren gewohnten Bahnen laufen werden, wird wohl noch einige Zeit verstreichen».

Mehr zum Thema finden Sie hier:

Artikel von Adam Grant in der New York Times: There’s a Name for the Blah You’re Feeling: It’s Called Languishing

Deutscher Artikel im DerStandard: «Languishing»: Dahinsumpern im Blues der Pandemie

Blogbeitrag «Der Flow ist wichtig, denn er ist heilsam» mit unserem Leiter Ergo- und Kunsttherapie, Jörg Schumann

Languishing, Burnout und Depression

Languishing (i.d.R. nicht behandlungsbedürftig): Languishing beschreibt einen seelischen Zwischenzustand, ein Gefühl des Stagnierens, des Ermattens, des Erlahmens, das Gefühl, «mit angezogener Handbremse» zu fahren oder in einer unveränderlichen Situation festzustecken. Languishing macht leer und Betroffene beginnen, sich einfach lustlos im Strom des Alltags treiben zu lassen. Es erhöht die Wahrscheinlichkeit, an einer psychischen Erkrankungen zu erkranken.

Burnout (behandlungsbedürftig): Das Burnout-Syndrom bezeichnet einen Zustand, bei dem Betroffene durch andauernden, meist beruflich bedingten Stress, derart belastet sind, dass sich eine physische und emotionale Erschöpfung mit deutlich reduzierter Leistungsfähigkeit einstellt.

Depression (behandlungsbedürftig): Eine Depression ist ein Zustand, in dem die Empfindung aller Gefühle reduziert ist. Die Depression ist eine psychische Störung mit Krankheitswert, die gekennzeichnet ist durch eine gedrückte Stimmung, Interesse- und Freudlosigkeit und häufig mit einer Antriebsstörung zusammenhängt.

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