«Auch wenn der Komfort hoch ist: Die Beschäftigung mit sich selbst kann manchmal weh tun»

Von PD Dr. med. Joram Ronel und Martina Leser
Lesedauer: 6 Minuten

Am 2. April 2024 eröffnet die Barmelweid in Haus D im Bereich der Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie eine neue Station für zusatzversicherte Patientinnen und Patienten. Mit Chefarzt PD Dr. med. Joram Ronel haben wir über die Wichtigkeit des Ausbaus des psychosomatisch-psychotherapeutischen Angebots und das Konzept der neuen Station gesprochen.

Joram Ronel, weshalb braucht es mehr Betten im Bereich der Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie auf der Barmelweid?
Die Nachfrage nach Plätzen für Psychosomatik- und Psychotherapie-Patientinnen und -Patienten ist nach wie vor sehr hoch in der Schweiz und die Wartezeiten meist sehr lang – auch bei uns in der Klinik Barmelweid.

Mit dem Aufbau der neuen Station möchten wir möglichst bald etwas Druck aus dem Versorgungssystem nehmen und die Wartezeiten verkürzen, die bestehenden Plätze für Psychosomatik- und Psychotherapie-Patientinnen im Haus B sind nämlich komplett ausgelastet.

Weshalb jetzt eine neue Station für zusatzversicherte Patientinnen und Patienten?
Wir haben festgestellt, dass die Barmelweid im Bereich der Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie oft nicht die erste Wahl ist für halbprivat und privat versicherte Patientinnen und Patienten – da diese Patientinnen und Patienten sich einen gehoberen Standard wünschen und der Komfort in anderen Kliniken bisher schlicht oft besser war. Es sind aber nicht nur die Patientinnen und Patienten, die Druck machen: Auch die Krankenkassen fordern nachweisbare Unterschiede für zusatzversicherte Patientinnen du Patienten. Diesen sich verändernden Voraussetzungen und Bedürfnissen wollen wir mit der neuen Station für zusatzversicherte Patientinnen und Patienten nun gerecht werden.

Joram Ronel weiss: Auch wenn die neue Station hohen Wohnkomfort bietet, bedeutet die Therapie eine Auseinandersetzung mit sich selbst – was auch schmerzhaft sein kann.

Die neue Station wird eine kleine, ruhige Oase in Haus D werden. Können Sie uns mehr dazu sagen?
Ja, die Zimmer – übrigens alles Einzelzimmer – werden wunderschön, sind modern, haben einen grossen Balkon mit Blick aufs Tal und die Berge und bieten Raum für Privatsphäre. Die Natur unserer Umgebung wird in der Innenarchitektur der Zimmer sehr gelungen ästhetisch aufgenommen. Alle Therapieräume befinden sich übrigens in unmittelbarer Nähe zu den Patientenzimmern, das heisst, die Patientinnen und Patienten profitieren von sehr kurzen Wegen und können sich so, gut umsorgt von unserem eng aufeinander angestimmten interdisziplinären Team, auf ihre Genesung konzentrieren. Die Patientinnen und Patienten sollen sich hier geborgen und in einer intakten Umgebung fühlen. Um neue Erfahrungen zu machen, legen wir besonderen Wert auf diesen Umstand. Wir dürfen nicht vergessen, dass dies für viele Menschen in ihrer Entwicklung nicht selbstverständlich war. Viele unserer Patienten mussten ziemlich wenig unterstützende Umgebungen in ihrer Kindheit «überleben» und haben sich ihr Leben lang durchgekämpft.

Und doch darf nicht vergessen werden: Behandlung kann auch weh tun, richtig?
Ja, das ist so. Auch wenn wir unseren halbprivat und privat versicherten Patientinnen und Patienten auf der neuen Station einen hohen Komfort und ein sehr gutes Behandlungskonzept bieten können – behandeln können wir sie oft nur, wenn sie sich aktiv mit ihrem Inneren auseinandersetzen, was oft anstrengend und manchmal auch schmerzhaft sein kann. Auf der Barmelweid ist uns aber sehr wichtig, dass diese inneren Erfahrungen stattfinden, denn nur so können Veränderungsprozesse in Gang kommen. Dies ist oft ein langer Prozess, der schlussendlich aber viel nachhaltiger ist als kurzfristig vorgeschlagene «Tipps» oder «Pauschallösungen» für Probleme, die sich ja meistens über viele Jahre entwickelt haben.

Das Besondere hier ist, dass wir den Betroffenen eine multimodale psychosomatische Psychotherapie bieten können, das heisst, es werden in der Therapie alle Sinneskanäle angesprochen, zum Beispiel in der Körper-, Musik- oder Kunsttherapie. Natürlich finden auch klassische Gesprächstherapien statt – aber eben nicht nur und das ist einer der Unterschiede zu vielen anderen Kliniken, denen so eine enge Absprache und Verzahnung zwischen den Patientinnen, den therapeutischen Fachleuten und Disziplinen nicht so wichtig ist. Unser Ziel ist es, als Team sich viel für und mit unseren Patienten auseinanderzusetzen und wir bemühen uns sehr intensiv um ein tiefes Verständnis für das individuelle Leiden unserer uns anvertrauten Patientinnen und Patienten.

Für manche unserer Patienten kann Reden und sich über Emotionen und Worte verständlich zu machen sehr hilfreich sein, andere brauchen vielleicht die Musik oder das kreative Arbeiten, um sich auszudrücken. Zudem ist die neue Station mit zwölf Einzelzimmer eher «klein und fein», es ist damit noch besser möglich, das Behandlungskonzept gezielt umzusetzen.

Die neue Station für Zusatzversicherte befindet sich im markanten roten Haus.

Das Konzept der neuen Station sieht unter anderem vor, krankheits- und generationenübergreifend zu sein, richtig?
Genau, wir nennen dies ein transgenerationales, störungsübergreifendes Setting. In unseren anderen Stationen in Haus B ist eine komplette Alters- und Krankheitsdurchmischung logistisch nur sehr schwer umsetzbar. Auf der neuen, kleinen Station versuchen wir, jüngere und ältere Patientinnen und Betroffene verschiedener Krankheitsbilder zusammenzubringen. Das kann den Horizont sehr erweitern und ermöglichen, mit Personen und Altersklassen in einen neuen und positiven Kontakt zu kommen, von denen man – zum Beispiel aus persönlich gemachten Erfahrungen – eher negative Gefühle mitbringt. Diese Umstände können etwas sehr Gesundes in den Therapiealltag bringen und stehen ja eigentlich auch dafür, wie es im «echten Leben draussen» auch ist. Speziell ist auch, dass wir auf dieser Station darauf achten, dass die Gruppentherapien immer stabil in der gleichen Gruppenzusammensetzung stattfinden, sofern das möglich ist.

Wie wird entschieden, wer auf diese Station in Haus D kommt?
Aus Gründen des Brandschutzes können nur Patientinnen und Patienten im Haus D untergebracht werden, die gut zu Fuss sind und Treppen steigen können. Ansonsten wird vor dem Eintritt jeder Fall angeschaut und – natürlich auch je nach Kapazität – entschieden auf welcher Station jemand untergebracht wird. In der Regel sollte es aber genug Platz haben für Zusatzversicherte. Und wir dürfen nicht vergessen: Alle Patientinnen und Patienten profitieren von unseren exzellenten Mitarbeitenden, den multidisziplinären, sehr guten Therapien, und dem aussergewöhnlichen Setting.

Noch laufen die lezten Bau- und Malerarbeiten, aber am 2. April wird die Station die ersten Patientinnen und Patienten empfangen können

Zurzeit hat es noch offene Stellen, wie können sich potenzielle neue Mitarbeitende die Arbeit auf der neuen Station vorstellen?
Das Stationsteam wird sich gut kennen und sehr eng zusammenarbeiten. Diejenigen, die wir schon rekrutieren konnten, sind alle sehr sympathische und beruflich beeindruckend fähige Leute. Das Team profitiert von der Kompaktheit der Station (mit allen notwendigen Strukturen vor Ort) und von Teamräumen, in denen auch ein Rückzug und – neben den sehr wichtigen Teambesprechungen und vielfältigen Supervisionen, die wir immer für das ganze Team anbieten – ein spontaner und informeller Austausch möglich sein wird. Die Stellen sind so aufeinander abgestimmt, dass sie interdisziplinär wirklich gut miteinander harmonieren. Die stabil arbeitenden, kleinen Patientengruppen ermöglichen eine tiefe Auseinandersetzung mit den Patientinnen und Patienten, was nicht zu Letzt in der Bezugspflege sehr zentral ist. Und: Wenn ich ehrlich bin, freue ich mich, dass ich gelegentlich auch ein bisschen dort mitarbeiten darf.

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